Infos & Rückschau
In unserem Newsletter Nahklang informieren wir Sie über alles Neue aus der Kammermusik-Gemeinde wie auch zu den Konzerten mit wissenswerten Hintergründen. Gern nehmen wir Sie in unseren Verteiler auf. Weiter finden Sie Rückblicke auf unsere Konzerte.
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Informationen der Kammermusik-Gemeinde
Lebenslust und Melancholie
Andrej Bielow, Felix Klieser, Martina Filjak
24. März `24, Orangerie Herrenhausen
… „Leidenschaft und Melancholie, kraftvolle Lebenslust und grübelndes Fragen – solche Ambivalenzen bestimmten das Programm, zu dem sich Felix Klieser (Horn) und Andrej Bielow (Geige) mit der Pianistin Martina Filjak zum Konzert der Kammermusikgemeinde Hannover in der Orangerie zusammenfanden.
Trios von Charles Koechlin (1867–1950) und Frédéric Nicolas Duvernoy (1765–1838) liefern dabei „hübsche Schmankerln“, wie Klieser lächelnd erklärt. Die Hauptwerke aber komponierten Schumann und Brahms. Höhepunkt ist dabei das Trio in Es-Dur op. 40 von Brahms. (…) Violine und Horn kommunizieren zugewandt mit dem Klavier. Allerdings gestaltet Bielow sein einfühlsames und auch mit virtuoser Vitalität gestaltetes Geigenspiel mit sehr schlank genommenem Ton. (…)
Zum wahren Kraftzentrum des gemeinsamen Musizierens wird unter den Händen Martina Filjaks das Klavier. Ihr facettenreiches Spiel bringt den wunderbar warm intonierten Bösendorfer-Flügel zum Singen, lässt auch in dichtester Klangfülle thematische Linien aufleuchten und verliert bei rhythmischen Variationen und Verschiebungen nicht den großen Spannungsbogen, der über dem ganzen Werk liegt. (…) Hornist Klieser, der ohne Arme geboren wurde, bedient die Ventile seines Instruments mit den Zehen des linken Fußes.
Die 20 Jahre später komponierte Sonate für Klavier und Geige in d-Moll, op. 108 führt in eine andere Welt. Düster, nach innen gekehrt, unruhig und nach neuen musikalischen Wegen suchend hat Brahms das Zusammenspiel der Instrumente entworfen. Überzeugend lässt das Duo spüren, mit welcher harmonischen Kühnheit, spieltechnischen Herausforderungen und thematischen Vielfalt diese oft grüblerische Musik erfüllt ist.
In Schumanns lichtvollem und leidenschaftlichem Duo für Horn und Klavier in As-Dur, op. 70 kann Klieser alle Seiten seiner Hornkunst zeigen: leises Singen, schmetternden Glanz und bewundernswerte Spieltechnik. So entsteht im kongenialen Zusammenspiel mit der Pianistin ein kammermusikalisches Glanzstück. Der stürmische Beifall des zahlreich erschienenen Publikums wird mit der Scherzo-Wiederholung des Brahms-Trios belohnt.“
Claus Ulrich Heinke
Ausschnitte aus der HAZ, 25. März 2024
Das Konzert der Krise
Kuss Quartett
1. März `24, Orangerie Herrenhausen
… „Streichquartette, die Haydn, Mozart und Beethoven nicht geschrieben haben: So lautete eine Ankündigung im Programmheft. Und auch sonst konnte wohl keiner der knapp 300 Besucher in der Orangerie dem Kuss Quartett beim Konzert der Kammermusikgemeinde mangelnde Originalität vorwerfen.
Das betraf schon das Motto des Abends, mit dem Jana Kuss, Oliver Wille (Violinen), William Coleman (Viola) und Mikayel Hakhnazaryan (Cello) aufwarteten. Es lautete „Krise“, stellte allerdings vor allem deren Überwindung in den Mittelpunkt. Ob Krankheit, Krieg oder Liebeskummer: Immer wieder haben sich Komponisten durch ihre Musik kreativ gegen Widrigkeiten behaupten können, oft sogar besonders eindrucksvoll.
Im ersten Teil knüpfte das Quartett ein feinmaschiges Netz aus neun Stücken, teils Klassiker, teils Brandneues. (…) Zu den Höhepunkten gehörte die intensive, streckenweise gespenstische Interpretation vom ersten Satz aus Béla Bartóks sechstem Quartett. Aber auch die Neutöner konnten sich hören lassen: „Hasta pulverizarse los ojos“ von Francesco Ciurlo ist eine sehr ruhige Angelegenheit mit filigranen Einsprengseln, Birke Bertelsmeiers „KRISE“ ein aufbrausendes Stück, das mit heftigen Glissandi gespickt und gleichwohl alles anders als chaotisch ist.
Nach der Pause driftete der Abend mit „Post“ von Oscar Escudero in Richtung Performance. Der Komponist hat einer Künstlichen Intelligenz aufgetragen, Musik zu schreiben, die von Haydn, Mozart und Beethoven stammen könnte, sofern diese drei länger gelebt hätten. (…) Nach einem angenehm überkandidelten Einstieg wurde der Vortrag musikalischer Kurzfragmente allerdings zunehmend diffus, und matschige Spracheinspielungen machten die Sache nicht besser.
Den Abschluss bildete Mozarts Streichquartett A-Dur KV 464, mit etwas scharfem Klangbild im ersten Teil, aber einem schön ausbalancierten Andante“.
Jörg Worat
Ausschnitte aus der HAZ, 2. März 2024
Von Biederkeit und Ekstase
Doric String Quartet
26. Januar `24, Galerie Herrenhausen
… dass in London ansässige Quartett begeistert, denn ein magischer Moment verändert alles. Von typisch britischem Understatement zur Ekstase – das Doric String Quartet zwischen Pflicht und Kür.
Stefan Arndt schreibt dazu in der HAZ:
„Die Musik passt dazu: Edward Elgars spätes Streichquartett bekommt bei ihnen genau den herb-zurückhaltenden Tonfall, der für dieses oft berührend resignative Stück angemessen ist. Und Béla Bartóks fast gleichzeitig entstandenes zweites Werk für diese Besetzung strahlt danach im schönen Gegensatz mit seinen klaren, manchmal avantgardistisch grellen Farben, die das Quartett aus London raffiniert in Szene setzt.
Es ist ein gutes, gleichsam erwachsenes Konzert mit anspruchsvoller Musik, die sehr durchdacht und gekonnt zum Klingen gebracht wird. Aber etwas fehlt. Ein bisschen wirkt das Ganze wie ein selbstauferlegtes Pflichtprogramm, dessen sich das Ensemble hoch konzentriert und engagiert erledigt, aber auch ohne echtes inneres Feuer.
Das lodert erst in der Kür auf – dann aber umso heftiger. Denn was das Doric String Quartet mit dem dritten Streichquartett von Robert Schumann oder umgekehrt die Musik mit den Interpreten anstellt, führt zu den raren wundergleichen Augenblicken, in denen sich die Atmosphäre im Konzert vollkommen verändert: Es hat fast etwas Überirdisches, wie die Stimmen sich in den scheinbar harmlosen Variationen des zweiten Satzes plötzlich verhaken und aneinander reiben bis sich für einen Moment eine neue Klangwelt auftut wie ein Paradies.
Nun passt alles zusammen. Der helle und oft auffällig vibrato arme Klang des Ensembles, der nicht übermäßig stark von der ersten Geige dominiert wird, ist gleichzeitig immer vollendet geschlossen und doch durchlässig für alle Bewegungen und Regungen der Mittelstimmen. Das ist ideal für Schumanns Musik, die in diesem Stück sehr eigenwillig Biederkeit und Ekstase verbindet.
Am ehesten konventionell ist noch das Rondo am Ende, das sich in seiner rhythmischen Strenge durchaus sehr ernsthaft spielen ließe. Auf der Bühne in Herrenhausen herrscht inzwischen aber vollständige Ausgelassenheit: Mit unübersehbarem Spaß lassen die Musikerinnen und Musiker die Töne tanzen, jede Synkope ein Freudensprung.“
Aus: HAZ, 27. Januar 2024
Die Suche nach dem perfekten Klang
Isidore String Quartet
11. November `23, Orangerie Herrenhausen
Einspielprobe
Vier junge Künstler finden sich auf der Bühne ein, und scheinen ganz genau zu wissen, was sie zu tun haben, jeder für sich, und doch zusammen. Die Hocker werden zurechtgerückt, die Pulte eingestellt, insgesamt erstaunlich niedrig, und plötzlich erklingen die ersten Töne. Sehr sauber spielt der Bratscher leere Saiten an und stimmt sehr präzise nach. Und plötzlich erfüllen die leeren Saiten den ganzen Saal, die Bratsche ist perfekt gestimmt, und dann mischen sich leere Cello-Saiten in den Klang. Und auch hier wird eine perfekte Stimmung gefunden, und dann intonieren die Geigen die leeren Saiten. Man hört sofort, dass auch hier ganz besondere Musiker ganz besondere Instrumente anspielen und einen ganz besonderen Anspruch haben. Ohne ein weiteres Zeichen fügen sich auf einmal Töne eines Bachchorals zusammen, und es klingt hervorragend. Aber man spürt, dass die Musiker noch nicht ganz zufrieden sind, noch suchen sie nach dem perfekten Klang, der sich im nächsten Moment auch einstellt. Ohne ein weiteres Zeichen oder eine Absprache bewegt sich einer der Geiger von der Bühne fort in den Zuschauerraum und das Ensemble spielt weiter. Man sieht, wie der Geiger an den verschiedensten Positionen im Raum verharrt, zuhört, und dann weiter geht. Nach einiger Zeit begibt sich der Geiger zurück in den Kreis des Quartetts und spielt wieder mit. Der Klang ist perfekt, überwältigend, und doch unglaublich zart und wohl ausgewogen, man darf gespannt auf das Konzert am Abend sein.
Konzert
Und los geht es, der Zuschauerraum ist gut besucht, wenn auch in der Galerie noch immer weitere Personen Platz finden würden. Vier junge Männer betreten die Bühne, sie sind alle schwarz gekleidet, modern mit Rollis, Applaus, das Quartett nimmt Platz, auf einmal wirken die jungen Männer gar nicht mehr so jung, sie sind vollkommen fokussiert, im Saal herrscht absolute Stille, und dann erklingen die ersten Töne des Streichquartetts, das Cello spielt das Thema des Streichquartetts op. 20 / 2 von Haydn und wird von der Bratsche begleitet. Sofort ist klar, dass die Zuhörer einem besonderen Ereignis beiwohnen werden. Und dann setzen die Geigen ein. Der erste Satz fliegt dahin, Pause, dann das sehr ernsthafte Thema des Adagios. Die jungen Künstler haben viel zu sagen! Das Menuett kommt mit unglaublicher Leichtigkeit und Sanftheit daher. Teilweise sind die Töne so zart, dass es fast wie raschelndes Papier klingt. Und dann ein rasendes Fugato. Am Ende kommt brandender Applaus, Bravo-Rufe erklingen in allen Reihen.
Der Bratschist steht auf, ein Baum von einem Kerl, er ergreift das Wort auf Englisch. Er begrüßt die Kammermusikgemeinde und erläutert, wie sehr dem Isidore-Quartett das Streichquartett op. 20 / 2 am Herzen liegt, er spricht von einem Testlabor, in dem es immer wieder darum geht, wohlbekannte Passagen neu zu ergründen. Dann kommt er auf das Streichquartett von Billy Childs zu sprechen. Es handele sich im Grunde um Programmmusik. Im ersten Satz geht es um einem Schockanruf, dass die Liebste mit einer Lungenembolie auf der Intensivstation liegt, in dem zweiten Satz befindet man sich im kargen Krankenhauszimmer mit vielen medizinischen Geräten, die periodisch wiederkehrende Geräusche machen. Es herrscht eine gewisse Ohnmacht aber auch Hoffnung. Im letzten Satz dreht es sich um Genesung und Dankbarkeit. Und so wird das Stück auch musiziert. Neue Musik präsentiert sich absolut erfahrbar und emotional. Das Stück endet mit einem sehr klaren Akkord und gibt es brandenden Applaus.
Nach der Pause wird das allseits wohlbekannte Streichquartett Nr. 15 a-Moll op. 132 von Ludwig van Beethoven gespielt. Aber wieder finden die jungen Musiker einen neuen Zugang zu dem Stück, so dass man das Gefühl haben könnte, es zum ersten Mal zu hören. Der allzu oft als etwas lang empfundene dritte Satz ist spannend bis zur letzten Sekunde. Nach dem letzten Akkord bricht wieder brandender Applaus los, überall erklingen Bravo-Rufe. Die jungen Musiker sind sichtlich erschöpft, aber auch glücklich und stolz. Und wieder ergreift der Bratscher das Wort, als Zugabe soll das erste Stück aus der Kunst der Fuge von Bach gespielt werden. Die zweite Geige spielt mit intensivem und doch leisem Ton das Thema vor, und die Fuge nimmt ihren Gang.
Am Ende herrscht totale Begeisterung. Die Kammermusikgemeinde durfte wieder einmal einem ganz besonderen Konzert beiwohnen. Das Isidore-String-Quartet hat ein überaus anspruchsvolles Programm präsentiert und dabei bei jedem einzelnen Ton eine ganz eigene Handschrift bewiesen. Sicherlich werden wir noch viel von diesem Quartett hören. Eine Aufnahme der Streichquartette von Childs wäre sicherlich eine überaus lohnende Aufgabe.
„Reger 150“ – zum Geburtstag Max Regers
Saisonauftakt mit Veronika Eberle, Adrian la Marca, Sharon Kam, Quirine Viersen und Markus Becker – ein Rückblick
30. September `23, Orangerie
… der perfekte Abend zum Einfühlen in die nicht einfache Musik Max Regers, zu dessen 150. Geburtstag. Als überaus hilfreich zum Verstehen erwiesen sich die einführenden Worte von Markus Becker. So zog Regers Musik die Zuhörer/innen in ihren Bann, auch die, die bislang noch wenig bis nicht mit ihr in Berührung gekommen waren. Auch das Künstler-Ensemble sprach für sich, wusste zu überzeugen und zu begeistern.
Die HAZ schreibt in ihrer Kritik dazu:
Viel Leidenschaft für Max Reger: Ein Spitzenensemble unter der Leitung von Markus Becker startet in der Orangerie in Herrenhausen mit der Reihe „Nahklang“ die Saison von Hannovers Kammermusikgemeinde. (…)
Becker hat sich ein Spitzenensemble zusammengestellt – mit der Geigerin Veronika Eberle, Adrien la Marca (Viola), Quirine Viersen (Cello) und nicht zuletzt Starklarinettisten Sharon Kam, mit der Becker im Zentrum des Abends die spätere Klarinettensonate von Reger bringt, in einem wunderbaren Zusammenspiel mit viel Atem für den kantablen Fluss. Die verhauchenden Pianissimi des Blasinstruments sind schon eine Klasse für sich. Becker begleitet mit Dezenz. (…)
Was dann beim abschließenden Hauptwerk, dem 40-minütigem Klavierquartett von 1914, die falsche Herangehensweise wäre. Hier wird mit sonorem Klaviereinsatz und den Streichinstrumenten ein geradezu sinfonischer Klang erzeugt, der aber bei aller Wucht, Dramatik und auch in den ganz zarten Passagen immer durchsichtig bleibt. Die hier gezeigte Leidenschaft für und mit Reger überwältigt einfach. Die Sehnsucht nach dem Gestern, die Reger immer gerne unterstellt wird, ist an diesem Abend nicht zu spüren: Das ist eine Musik für das Jetzt, wann immer das ist.
HAZ-Auszüge: Henning Queren, 01.10.2023
Flammen
Sonderveranstaltung mit Volker Hagedorn u.a. – ein Rückblick
3. September `23, Altes Magazin
… eine spannende und gelungene Veranstaltung vor dem offiziellen Start in die neue Konzertsaison, wieder im Alten Magazin.
Lesung und musikalischen Untermalungen führten die Zuhörer/innen in die aufregenden Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Die Lektüre des neuen Buches von Volker Hagedorn machte schon vorab neugierig. Die musikalische Auswahl war gelungen, die erläuternden Texte führten zu neuen Erkenntnissen. Der Abend begeisterte die Gäste und ihre Erwartungen wurden weit übertroffen.
Diese Veranstaltung hätte noch mehr Zuhörer verdient, so verblieb ein kleiner Wehrmutstropfen.
Mehr Schumann geht nicht…
Saisonabschluss mit dem Schumann Quartett und Fabian Müller
8. Juni `23, Orangerie Herrenhausen
„Mehr Schumann geht kaum: Unter diesem Motto stand der Saisonabschluss der Kammermusik-Gemeinde in der Orangerie. Vor gut gefüllten Rängen spielte das „Schumann-Quartett“ um die Brüder Erik, Ken und Mark Schumann zwei Stücke von Robert Schumann, während der dritte Programmpunkt, ein Werk von Aribert Reimann, dem Gedenken an diesen Komponisten gewidmet ist. Und an wessen 213. Geburtstag fand das Konzert statt? Genau.
Gleich beim Auftakt mit Robert Schumanns 1. Streichquartett machte das 2007 gegründete Ensemble deutlich, worin seine Stärken liegen, die zu zahlreichen Auszeichnungen geführt haben. Zum Beispiel in einem auffallend frischen Zugriff, der deutliche Kontraste und originelle Akzente auch innerhalb der Phrasierungen nicht scheut, aber geschmackssicher bleibt.
Dazu kommt ein erstaunliches Repertoire an Klangfarben, die zuweilen an menschliche Stimmen erinnern. So klang Erik Schumanns Violine im Scherzo nachgerade keckernd, was sich besonders schön vom in die Fahlheit taumelnden Intermezzo abhob, und das Finale wirkte streckenweise wie ein munteres Gespräch.
Die Vielschichtigkeit dieses Spiels entspricht nicht zuletzt auch und gerade dem Charakter Robert Schumanns. Der zunehmend in die Zerrissenheit driftete, und darauf bezog sich Aribert Reimann in seinem „Adagio – zum Gedenken an Robert Schumann“. Es ist die Dekonstruktion eines Chorals, den der in der Nervenklinik Endenich einsitzende Schumann in seinem Todesjahr 1856 schrieb. Eine erschütternde Angelegenheit mit sparsamen ruhigen Momenten, die aber immer wieder durch schroffe Störeffekte aufgebrochen werden.
Bei Schumanns Klavierquintett nahm Fabian Müller am Flügel Platz, wodurch sich ein Kreis schloss, da Müller zusammen mit dem Oboisten Albrecht Mayer die Saison der Kammermusik-Gemeinde auch eröffnet hatte. Er fügte sich umgehend in die Philosophie des Konzerts ein und beteiligte sich munter am Aufspüren interessanter Absprungpunkte.
Fazit: Langeweile hatte an diesem Abend keine Chance. Auch nicht bei der Zugabe, dem 3. Satz aus Dvořáks Klavierquintett Nr. 2, als die Musiker einen großartigen Spagat zwischen romantischem Schmelz und angeschrägten „Over-the-top“-Passagen hinlegten. Genau genommen ein kleiner Stilbruch, weil nicht von oder über Schumann – aber trotzdem toll.
Jörg Worat, HAZ, 9. Juni 2023
In Memoriam Alfred Koerppen
Eine musikalische Reise durch sein Werk – ein Rückblick
4. Juni `23, Altes Magazin
Am 4. Juni fand diese Sonderveranstaltung anlässlich seines einjährigen Todestages im Alten Magazin statt. Das Programm zeigte einen exemplarischen Ausschnitt aus seinem umfangreichen Werk, fokussiert auf Kammermusik und Lieder.
Studierende der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover wirkten darin begeistert mit und gestalteten gemeinsam mit Markus Becker das gut besuchte Konzert.
Auch wenn Alfred Koerppen zu den bedeutendsten Komponisten der Gegenwart zählt, ist sein Werk vielen Musikfreunden noch nicht bekannt. So bot sich an diesem Abend eine exzellente Gelegenheit, in sein umfangreiches Schaffen „hineinzuhören“.
„Soli Deo Gloria“: Am 7. Juni nur kurz nach diesem Konzert zu Ehren Ihres Mannes verstarb Barbara Koerppen im Alter von 93 Jahren. Auch wenn Sie selbst an diesem Abend nicht mehr teilnehmen konnte, hat dieser ihr kurz vor Ihrem Ableben noch eine große Freude bereitet.
Unser herzlicher Dank gilt der Alfred Koerppen Stiftung für die großzügige Spende an den Verein, die u.a. diesen wunderbaren Abend ermöglicht hat.
Sphärische Klänge – im Bann des Feuervogels
Alexey Gerassimez (Percussion) und Omer Klein Trio – ein Rückblick
16. Mai `23, Orangerie Herrenhausen
… diesmal ganz andere Klänge und Rhythmen vor ausverkauftem Hause in der Orangerie Herrenhausen. Eine Musik, die das Publikum dennoch begeistert und in den Bann zieht – ein Konzert im Rahmen der KunstFestSpiele Herrenhausen.
Die HAZ schreibt dazu:
„ Das israelische Jazztrio um Pianist Klein und der Schlag- und Handwerker Gerassimez tänzeln mal zusammen, mal getrennt durch das weite Grenzland der improvisierten Musik. Gerassimez, der in München als Schlagzeugprofessor Nachfolger des legendären Peter Sadlo ist, verschmäht auch exotischeres Werkzeug nicht – eine metallene, verbeulte Werkzeugkiste und ein Zinneimer inbegriffen, aber was aussieht, wie Topfdeckel, sind wohlabgestimmte Becken.
Nach der Pause wird er zusammen mit dem Schlagzeuger Tobias Backhaus ein Duett für Bodenfliesen intonieren („Stonewave“), mal schabend, mal klöppelnd, aber immer reaktionsschnell und treffsicher. Kontrabassist Haggai Cohen-Milo darf ein hinreißend groovendes Solo einbauen, man spielt in wechselnden Kombinationen.
Und dann vereinen sich Basslinien des Klaviers mit den Vibrafonakkorden und gehen auf Vogeljagd. Die ambitionierten fünf Stücke der kurzen „Firebird“-Federspiele sind zwar ein reizvolles „Finde den Klangfetzen“-Suchspiel, bei dem nicht alles so klar ist, wie der einleitende Gang in den „Zaubergarten Katschtscheis“, aber eigentlich nicht das Stück, das nachhaltig im Ohr bleibt. Dazu taugt schon eher „Good Hands“, mit dem das Omer Klein Trio jeden Jazzclub in gute Laune versetzen könnte. Oder das zärtliche Vibrafon-Wiegenlied, das Alexej Gerassimez seiner erstgeborenen Tochter „Enny“ widmete, das hat sogar subtile Ohrwurmqualität.“
Aus: HAZ, 17. Mai 2023
„Eine Sternstunde“
Samuel Hasselhorn und Helmut Deutsch – ein Rückblick
11. Februar `23, Orangerie Herrenhausen
… der perfekte Liederabend: Die Orangerie fast ausverkauft und gefüllt wie lange nicht mehr. Vorab ein einführendes, von Prof. Jan Philip Schulze lebendig moderiertes Gespräch mit den beiden Künstlern, das zudem interessante Informationen vermittelte.
Zum Abschluss ein restlos begeistertes Publikum. Diese „Winterreise“ hat alle in den Bann geschlagen. Durchgehender Tenor: Die beste „Winterreise“, die viele bisher an diesem seltenen Abend erlebt hatten, einfach beeindruckend und tiefe Spuren hinterlassend.
Stefan Arndt schreibt dazu in der HAZ:
„Der österreichische Pianist Helmut Deutsch ist 77 Jahre alt und hat sich fast sein ganzes Leben mit dem Lied beschäftigt. Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist er Mentor und Partner der jeweils herausragenden Sängerinnen und Sänger ihrer Generation.(…) Hasselhorn ist 1990 in Göttingen geboren und sein Abschluss an der hannoverschen Musikhochschule liegt kurz genug zurück, damit er in der bestens besuchten Orangerie noch als lokale musikalische Größe gilt. (…).
In Herrenhausen ist nun zu erleben, was ihn zu einem überragenden Liedsänger macht: Der Bariton schöpft alle Ausdruckskraft aus der Melodie. Anders als viele seiner Kollegen vermeidet er jegliche Art der Deklamation: Hasselhorn rezitiert die Gedichte von Wilhelm Müller, die dem Zyklus zugrunde liegen, nicht auf verschiedenen Tonhöhen – er singt sie wirklich. Dabei verbindet er weite Linien, ein wunderbares Legato und saubere Übergänge zwischen den Stimmlagen mit exzellenter Textverständlichkeit. (…)
In der Zusammenarbeit mit Deutsch scheint der Sänger diese Tugenden noch einmal konzentriert zu haben. Es ist, als habe seine Interpretation alles Überflüssige abgeworfen. Es gibt keine Schweller, keine Ausrufe, keine Zischlaute und kein Flüstern, die verdeutlichen sollen, was ohnehin offensichtlich ist. Hasselhorn bleibt einfach und schlicht, selbst wenn es kompliziert wird. (…)
Am Bösendorfer-Flügel gibt der Pianist mit matt schimmernden Bronzeklang diese Richtung vor. In seinem Spiel scheint Deutsch die immense Erfahrung mit dem Repertoire zu bündeln. Alle Eitelkeit ist abgeworfen, der höchste Ehrgeiz aber nicht: Der Begleiter fordert den Sänger mit seiner extremen Ausdrucksverdichtung fast mehr, als dass er ihn unterstützt. Hasselhorn ist an dieser Herausforderung gewachsen. Schuberts Klangsprache erscheint hier so abgründig und beredt wie selten.“
Auszüge: Stefan Arndt, HAZ,12.2.2023
Geniales Zusammenspiel
Nils Mönkemeyer/ William Youn – ein persönlicher Rückblick
17. Januar `23, Galerie Herrenhausen
… mit einem wunderbaren Programm, das es in sich hat. Dazu die Galerie zum zweiten Male wieder gut gefüllt, die Besucherzahlen steigen, die Lust auf erstklassige Kammermusik steigt. Das macht Mut auf bessere Zeiten nach Corona.
Bezaubernde Klänge, welche die Zuhörer*innen schnell in ihren Bann schlagen und von Beginn an fesseln. Zum Abschluss dann begeisterte Ovationen, die beide Musiker nicht unberührt lassen. Es ist auch ein Konzert in vertrauter Umgebung, denn beide haben in Hannover studiert, wo alles seinen Anfang nahm.
Kurzum: Sie fühlen sich von Beginn an pudelwohl. Über Robert Schumann geht es weiter zu Rebecca Clarke. Sie ist eine der „verschollenen“ Komponistinnen aus dem beginnenden 20. Jahrhundert, denen zu Lebzeiten die Anerkennung fehlte, die um diese kämpfen mussten und zu Lebzeiten oft scheiterten.
Man spürt nicht nur hier das großartige, enge und höchst einfühlsame Zusammenspiel der beiden Interpreten, gegenüber dem Werk wie auch miteinander. Zwei Musiker, die sich mögen und sich in und mit der Musik gefunden haben, in überzeugender Stimmigkeit ergänzen.
Die einführenden Worte von Nils Mönkemeyer zur FAE-Sonate leiten bestens in das spannende Gemeinschaftswerk von Dietrich, Schumann und Brahms über. So erklärt sich das Werk fast von selbst, spätestens nach der intensiven Darbietung, mit Klängen, die vorausgehende Worte bestens interpretieren.
Die Klaviersonate von Franz Schubert, mit der William Youn den zweiten Teil des Konzerts einläutet, beweist, dass hier einer steht, der seinen Weg weiter erfolgreich gehen wird. Es macht einfach Freude, seinem gefühlvollen und sicheren Anschlag zu lauschen, der Art und Weise, wie er in die Musik hineinhorcht und sie dann für sich und andere interpretiert.
Und dann der Ausflug in „sphärische Klangwelten“ – Morton Feldman überzeugt auch die Skeptiker der zeitgenössischen Musik, nicht zuletzt durch die Performance des Duos auf der Bühne. Nach dem Schließen der Augen und Konzentration auf die Klänge beginnt eine bewegende Reise durch ein unbekanntes Universum.
Den Abschluss bildet noch ein Werk von Brahms. Es bleibt hier nichts hinzuzufügen.
Ralf Liedtke
Ein furioser Abend
Atos Trio – ein Rückblick
13. Dezember `22
Die Zuhörerschaft ist sich darin einig, ein atemberaubendes Konzert eines großartigen Trios zu drei großartigen Komponisten an diesem Abend gehört zu haben. Entsprechend begeistert war der Applaus zum Ende des Konzerts, Neben berühmten Werken von Mozart und Mendelssohn feiert ein drittes Wunderkind in diesem Rahmen eine einzigartige Entdeckung – Erich Wolfgang Korngold.
Zu Beginn das Klaviertrio B-Dur von Mozart – ein mehr als gelungener Einstieg, das Trio überzeugt mit Stringenz und Klarsicht. Alle machen nur, was nötig ist, um zu verstehen, dass Mozarts ungewöhnlich knappe Formulierungen hier kein Mangel sind, sondern eine Tugend: Derart konzentriert und schlackenfrei, wie in diesem Stück, ist die Musik des Komponisten nur selten zu hören.
Korngold – die Entdeckung des Abends. Stefan Arndt schreibt in der HAZ: „Es wird geschwärmt und gewirbelt und doch gibt es einen neuen, kühlen Tonfall, der einen Vor-geschmack gibt von dem, was das damals junge Jahrhundert noch bringen würde. Die Mitglieder des Atos Trios, die bei Mozart mit Stringenz und Klarsicht überzeugt haben, lassen hier alle Zu-rückhaltung fahren und sorgen für eine geradezu ekstatische Aufführung.“
Der Abend endet mit dem späten c-Moll-Trio von Felix Mendelssohn Bartholdy, in dem sich „Strenge und Schwärmerei zu einem Kammermusikwerk von sinfonischen Ausmaßen“ vereinen.
So führe das Atos Trio bestens vor Augen, dass klein besetzte Musik oft die größte ist, so schließt Stefan Arndt seine Ausführungen.
Auszüge: Stefan Arndt, HAZ,14.12.2022
Ein junges Quartett entzückt
Simply Quartet – ein Rückblick
14. November `22, Galerie Herrenhausen
Ein lang andauernder Beifall, der nicht enden will.
Matthias Ubben schreibt in der HAZ: „Das junge Simply Quartet hat bei seinem ersten Auftritt bei der Kammermusikgemeinde das Publikum in der Galerie Herrenhausen entzückt – mit jugendlicher Begeisterung und ausgereiftem Spiel.“
Zu Beginn stehen Anton Weberns „Fünf Sätze für Streichquartett“. Diejenigen, die Weberns expressionistische Werke vertraut sind, sind begeistert. Andere, die seiner Musik skeptischer gegenüberstehen, lassen sich schnell durch das Spiel des jungen Ensembles in den Bann ziehen.
Es folgt Franz Schuberts „Rosamunde“-Quartett und damit eine völlig andere musikalische Klangrichtung. Das Simply Quartet macht seinem Namen hier alle Ehre: „Es lässt dem Publikum mit einer schön-schlichten Version die Möglichkeit, sich entweder Schuberts klassisch anmutender Schönheit und Heiterkeit hinzugeben oder den feinen, nicht unmäßig hervorgehobenen Anzeichen für Verletzlichkeit in dem Stück nachzugehen“.
Zum Abschluss wird mit Dvoraks letztem Streichquartett der Quartettklang um dunklere Noten, rhythmisch-maschinelle Grooves, sprengende Ausbrüche und einen Choral bereichert.
Auszüge: Mathis Ubben, HAZ, 15.11.2022
Erfolgreich in die neue Konzertsaison gestartet
Albrecht Mayer (Oboe) und Fabian Müller (Klavier – ein Rückblick)
12. Oktober `22, Orangerie Herrenhausen
Die HAZ schreibt dazu u.a. in Ihrer Rückschau auf das Konzert:
„ Zum Saisonauftakt der Kammermusikgemeinde mit dem Oboisten Albrecht Mayer und dem Pianisten Fabian Müller ist die Orangerie Herrenhausen gut gefüllt. Das Duo präsentiert ein rein französisches Programm mit Werken von bekannten Komponisten (Maurice Ravel, Camille Saint-Saëns, Francis Poulenc und Claude Debussy) und weniger bekannten wie Vincent d’Indy und Paul Pierné.
Mayer spielt mit überragender Selbstverständlichkeit, er kann mit seiner Oboe Töne wie aus dem Nichts entstehen und sie grazil wieder davonschweben lassen. Pianist Müller glänzt zwischen den gemeinsamen Auftritten mit kurzen Solostücken. Mit seiner fließenden, aber zurückhaltenden Interpretation von Debussys „Clair de Lune“ liefert er einen der Höhepunkte des Programms.“
HAZ, 13. Oktober 2022
Sonderveranstaltung zum Saisonauftakt
Beethoven, Die frühen Klavierquartette – ein Rückblick
30. September `22, Altes Magazin
Auch das zweite Sonderkonzert wird ein großer Erfolg
Wie schon beim ersten Konzert im Mai blieb im Alten Magazin kein Platz frei, sogar zusätzliche Stühle wurden herangeschafft. Der Ort ist für kleine, besonders familiäre Konzerte wie geschaffen. Die Akustik erfreut bis in die letzte Reihe, eine kleine Bar und das Foyer erlauben persönliche Gespräche mit angenehmen Erfrischungen und der Besucherkreis von maximal 80 Musikenthusiasten verleiht dem Ganzen eine wohltuende Atmosphäre.
Und dann erst der musikalische Genuss! Katharina Sellheim am subtil klingenden „Bösendorfer“, Lucja Madziar als ausgezeichnete Primaria in Verbindung mit Johannes Krebs, dessen Cellospiel so gut zur hier gebotenen Kammermusik passt, bilden das Klaviertrio Hannover. Die drei vollendete der hervorragende Bratschist Konstantin Sellheim zum Quartett. Denn diese Formation stand im Zentrum des Abend mit frühen Quartetten Ludwig van Beethovens.
Die leitende Frage, ob wir es hier bereits mit „Beethoven“ oder Kompositionen nach dem musikalischen Vorbild Mozart hören würden, entschied das Publikum spontan zugunsten des jüngeren, stürmischeren Genius. Wohl stand Ludwig van Beethoven erst im 15. Lebensjahr, als er die drei Quartette WoO 36,1-3 aufzeichnete. Dennoch genoss er damals bereits drei Jahre Unterricht bei Christian Gottlob Neefe, der seine überragende Begabung erkannte und seinen Schüler nach Möglichkeit unterstützte. Bei ihm dürfte er auch Einblick in die 1781 gedruckten Violinsonaten KV 296, 380 und 379 erhalten haben. Die Musikwissenschaft ist hier einig. Beethoven übernahm Strukturmerkmale dieser Werke und orientierte sich im Quartett Es-Dur noch stärker an der letztgenannten Sonate. Wohl deshalb setzte man dieses Quartett an die erste Stelle, als die drei Kompositionen nach des Meisters Tod 1828 aus dem Nachlass veröffentlicht wurden. Gleichwohl enthalten diese Frühwerke genügend „echten Beethoven“ um die Meinung des kunstverständigen Publikums abzusichern. Zudem führte Frau Sellheim mit einer zehn Jahre später komponierten Passage aus dessen Klaviersonate Nr. 1 vor, dass sich der erwachsene Meister keineswegs von seinem Jugendwerk distanzierte, sondern musikalische Elemente daraus in reiferen Kompositionen verwendete. Im abschließenden Quartett Es-Dur op. 16a – eine beethovensche Bearbeitung des eigenen Quintetts für Klavier und vier Blasinstru mente – war schließlich klar, welche Wege er zukünftig beschreiten wollte.
Kurz, das Sonderkonzert schenkte uns einen äußerst genussreichen Abend. Wer zudem die 2019 veröffentlichte, vorzügliche CD des Programms mit nach Hause genommen hatte, kann alles nochmals nachvollziehen und genießen, so wie es mir eben beim Schreiben möglich ist.
Eine aktuelle Veröffentlichung des Klaviertrios Hannover ist der lange vergessenen Komponistin Emilie Mayer gewidmet. Das Trio schenkte uns einen Satz aus deren Werk als Zugabe. Beide CDs sind bei Genuin Classics erschienen. Sie können dort online erworben werden.
© Hans-Jürgen Jagau
„Schein und Sein“
Projekt Vergessene Noten – ein Rückblick
29. Mai ´22, Altes Magazin
Ein Klaviertrio, ein Moderator und ein restlos ausverkauftes Haus in der Kestnerstraße 18 im Alten Magazin. Marietta Kratz (Violine), Valentin Priebus (Violoncello), Henning Lucius (Klavier) und Benno Ure (Moderation) begeisterten das Publikum mit der Aufführung längst „vergessener musikalischer Schätze“, die sie wiederentdeckten und den Zuhörern neu zu Gehör brachten. Zum Ende des Konzerts gab es zu Recht einen langanhaltenden Beifall.
Die Komponisten/innen Salomon Jadassohn, Rebecca Clarke, Ilse Fromm-Michaels, Mary Frances Dickenson-Auner, Johanna Bordewijk Roepman, Cécile Chaminade oder auch Paul Juon faszinieren mit ihrer Musik zu ihrer Zeit das Publikum und geraten dennoch ins Vergessen.
Fünf Komponistinnen und zwei Komponisten zwischen Tradition und Moderne des 19. und 20. Jahrhunderts: Sie kämpfen, jede und jeder auf eigene Weise. Sie kämpfen mit sich und für sich, mit anderen und gegen andere, für und gegen Regimes. Und immer kämpfen sie für ihr eigenes Werk, wobei es stets auch um Anerkennung geht. Mancher Kampf wird gewonnen, mancher war vergeblich. So verschieden ihre Biografien, so unterschiedlich sind ihre Kompositionen, tonale wie atonale, emotionale wie rationale. Diese wunderbare Musik der sieben vergessenen Leben musste wiedergefunden werden, um uns heute mit ihrer Ausdruckskraft zu berühren.
Benno Ure trägt seit vielen Jahren vergessene Noten zusammen. Er ist Professor für Kinderchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Das „Projekt Vergessene Noten“ bringt seit mehr als einem Jahrzehnt Musik von vergessenen Komponistinnen und Komponisten zur Aufführung. Benno Ure moderiert die Konzerte, erzählt von berührenden Hintergründen der Stücke und den Schicksalen der Komponistinnen und Komponisten.
Schwerpunkt des Projekts, das Benno Ure gemeinsam mit Marietta Kratz gründete, ist die Kammermusik des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Manches Werk ist nach mehr als einhundert Jahren wieder zu hören, manches wurde noch nie aufgeführt.
Die Suche nach vergessenen Noten und die Rekonstruktion von Schicksalen ist immer ein Abenteuer, ein Experiment. Wie auch dieses Konzert, das Auftakt für weitere Sonderveranstaltungen der Kammermusik-Gemeinde war. Experiment gelungen, wie die Reaktion des begeisterten Publikums zeigte. Das Abenteuer verzaubert und geht weiter.